In Frankreich ist Soja gefährlich
Letzten Sommer machten wir Urlaub in Frankreich auf einem Campingplatz. Ich war begeistert, als ich im lokalen Camping-Shop wider Erwarten Sojajoghurt entdeckte. Meine Tochter (damals 1.5 Jahre) und ich essen fast täglich Tofu und/oder Sojajoghurt und Sojamilch. Um so überraschter war ich, als ich die Aufschrift entdeckte: «A consommer avec moderation. Déconseillé aux enfants de moins de 3 ans, aux femmes enceintes et allaitantes.” «In Massen geniessen. Kindern unter 3 Jahren sowie schwangeren und stillenden Frauen wird vom Konsum abgeraten.» Interessanterweise erfüllten wir zu diesem Zeitpunkt alle drei Kriterien – ich war schwanger, stillte meine Tochter noch und sie war erst 1.5 Jahre alt. Jemand, der sich nicht mit dem Thema ausseinander gesetzt hat, wäre nun wohl stutzig geworden. Ist Soja denn schädlich für mich und mein Kind?
«Soja hat Östrogene»
Nun müssen wir doch etwas weiter ausholen und uns ansehen, woher diese Empfehlungen zum Verzehr kommen. Natürlich haben die Franzosen hier nichts Böses im Sinn und wollen nur das Beste für Mutter und Kind. Einen Einfluss wird wahrscheinlich auch die Tatsache haben, dass in Frankreich traditionell und auch heute immer noch viel und gerne tierische Produkte konsumiert werden. Mehr zu diesem Thema erfährst du unter Zwingen Veganer ihren Kindern den Veganismus auf?. Die Sojabohne enthält sogenannte «Phytoöstrogene», die Isoflavone. Diese haben, wie der Name verrät, Östrogen-ähnliche Eigenschaften. Allerdings wirken sie im Körper unterschiedlich, je nachdem an welchen Rezeptor an welchem Organ sie binden. So hat die Sojabohnen einen präventiven Effekt auf das Risiko für Brustkrebs.[1] Entgegen älterer Studien zeigt die Mehrheit der aktuellen Studien, dass ein Sojakonsum in der Kindheit und Jugend keinen Einfluss auf den Pubertätseintritt bei Mädchen oder Jungen hat[2][3]. Phytoöstrogene wirken viel schwächer als Geschlechtshormone und, wie oben beschrieben, selektiv. Hierbei ist auch noch zu unterscheiden, ob es in der Studie um eine Untersuchung des Einflusses sojabasierter Säuglingsanfangsnahrung handelt, oder ob lediglich der Sojakonsum ab Beikostalter untersucht wurde.
«Soja macht unfruchtbar»
Warum aber sind die Franzosen so vorsichtig, wenn es um Soja und Kinder bzw. Schwangere und Stillende geht? Aus einigen Tierstudien geht ein scheinbar negativer Effekt von (isoliereten) Isoflavonen aus. So haben Isoflavone, welche natürlich in Rotklee enthalten sind, einen negativen Einfluss auf die Fruchtbarkeit von Schafen. Schafe, welche besonders viel Rotklee frassen, wurden unfruchtbar. Tierstudien lassen sich aber nur bedingt auf Menschen übertragen. In diesem Fall verstoffwechseln Schafe die natürlichen Phytoöstrogene des Rotklees anders. Für Hunde ist beispielsweise Schokolade tödlich, während sie für uns ein (für manchen) nicht wegzudenkendes Genussmittel darstellt.
Darum ist Soja so wertvoll
Ausgehend von der aktuellen Studienlage gibt es also keinen Grund, auf Soja zu verzichten. Im Gegenteil: gerade in der Kindheit, Schwangerschaft und Stillzeit braucht der Körper vermehrt Eiweiss. Das Eiweiss der Sojabohne hat eine gute biologische Wertigkeit, es kann also vom Körper gut in körpereigenes Eiweiss umgewandelt werden. Sie enthält auch mengenmässig mehr Protein als die meisten anderen Hülsenfrüchte. Ausserdem enthält die Sojabohne wertvolle Mineralien und Vitamine:
- Gesunde Fettsäuren
- Vitamin E
- B-Vitamine
- Magnesium
- Kalzium
- Eisen
- Cholin
Besonders Cholin stand in letzter Zeit vermehrt in der Diskussion, da es vor allem in der Schwangerschaft wichtig für die Gehirnentwicklung des Kindes ist. Aber auch in der Kindheit sollte auf eine cholinreiche Ernährung geachtet werden, weshalb Soja und Sojaerzeugnisse in einem veganen Speiseplan nicht fehlen sollten.
Die Menge macht das Gift
Wichtig ist lediglich, sich nicht nur von Sojaprodukten zu ernähren und allgemein auf eine abwechslungsreiche Ernährung zu achten. Dabei hilft es, sich an folgenden Höchstmengen zu orientieren:
- Unter einem Jahr: ca. 60 g Tofu/Sojabohnen oder 125 ml Sojamilch (im Brei, nicht pur!)
- 1-2 Jahre: 120-240 gr Tofu, 250-500 ml Sojamilch
- Ab 2 Jahren: 240-480 gr Tofu, 500ml-1l Sojamilch
Wenn die Mutter nicht stillen möchte oder kann, ist auf Soja basierende Säuglingsanfangsnahrung nach der aktuellen wissenschaftlichen Lage ebenfalls sicher und eine mögliche Alternative zur herkömmlichen Formulanahrung. Das Stillen sollte jedoch immer die erste Option darstellen und die Vor- und Nachteile der verschiedenen Zufütter-Möglichkeiten sollten am Besten mit einer Fachkraft (Ernährungsberaterin, Hebamme, Stillberaterin etc.) abgesprochen werden.
[1] Hilakivi-Clarke L, Andrade JE, Helferich W. Is soy consumption good or bad for the breast? J Nutr. 2010 Dec;140(12):2326S-2334S. doi: 10.3945/jn.110.124230. Epub 2010 Oct 27. PMID: 20980638; PMCID: PMC2981011.
[2] Strom BL, Schinnar R, Ziegler EE, Barnhart KT, Sammel MD, Macones GA, Stallings VA, Drulis JM, Nelson SE, Hanson SA. Exposure to soy-based formula in infancy and endocrinological and reproductive outcomes in young adulthood. JAMA. 2001 Aug 15;286(7):807-14. doi: 10.1001/jama.286.7.807. PMID: 11497534.
[3] Sinai T, Ben-Avraham S, Guelmann-Mizrahi I, Goldberg MR, Naugolni L, Askapa G, Katz Y, Rachmiel M. Consumption of soy-based infant formula is not associated with early onset of puberty. Eur J Nutr. 2019 Mar;58(2):681-687. doi: 10.1007/s00394-018-1668-3. Epub 2018 Mar 20. PMID: 29556760.