Mein veganes Kind isst wählerisch – 6 hilfreiche Tipps

 

Du hast dich schon so sehr auf die Beikostzeit gefreut. In Gedanken bereits deinem begeisterten, glucksenden Baby löffelweise Zucchini-Linsen-Süsskartoffelbrei gefüttert oder Hafer-Bananen-Pancakes vorgesetzt. Es hätte alles so aufregend, so schön sein können. In der Drogerie hast du Anleitungen abfotografiert, wie eine «Stillmahlzeit» mit fester Kost zu ersetzen ist und dich darauf gefreut, endlich etwas weniger stillen zu müssen, endlich etwas unabhängiger zu sein.

Und nun? Dein Baby ist 8 Monate und isst immer mal wieder, mal mehr und mal weniger begeistert, aber was es vor allem noch will, und das rundum die Uhr: die Brust. Dieses kleine Geschöpf hat bereits Präferenzen, mag zum Beispiel keine Linsen essen. Vielleicht fragst du dich, ob du etwas falsch gemacht hast. Und vor allem: wie das denn nun weiter gehen soll, mit der veganen Kinderernährung? Schliesslich isst dein Sprössling viele der gesunden, nährstoffreichen veganen Dinge nicht, die er eigentlich essen sollte.

 

Was sind eigentlich «picky eater»?

«Picky eater» sind Kinder, die wählerischer essen. Das kann bereits ab Beikosteinführung beginnen. Oft wollen diese Babys lieber Muttermilch trinken, statt Brei löffeln –  was ja auch irgendwo verständlich ist. Bei Mama ist es ja auch am Schönsten. Etwa 20% der Kinder sind irgendwann einmal «picky», oft ist es eine Phase, welche mit etwa 1 bis 3 Jahren beginnt und grob etwa bis zum Schuleintritt anhält. Dinge, die früher mit Begeisterung gegessen wurden, werden plötzlich verschmäht. Neues wird gar nicht erst probiert; die Nudeln müssen ohne Sosse sein, Vermischtes ist suspekt. Dieses Verhalten ist übrigens ganz normal und hat mit unserem Überlebensinstinkt zu tun: wären unser Steinzeitkleinkinder früher voller Begeisterung  und Neugier umher gesprungen und hätten jedes Gräschen und Blättchen probiert, so hätten sie wohl nicht überlebt und es gäbe uns heute nicht.

Kinder haben auch noch viel sensiblere Geschmacksnerven als wir sie haben, und nehmen Gerüche und Geschmäcker oft intensiver war. Viele Kinder (und übrigens auch Erwachsene) reagieren empfindlich auf Konsistenzen und Texturen. Knusprige Cracker sind bei deinem Kind DER Hit, Brot ist jedoch weniger beliebt und wenn überhaupt, dann nur ohne die Rinde? Believe me, I’ve been there.

 

Darf ich meinen wählerischen Esser vegan ernähren?

Und da ich aus Erfahrung spreche und selbst vegane Ernährungsberaterin bin, hier meine Meinung zur Frage, ob vegane Ernährung und picky eating überhaupt vereinbar sind: ja, auch dein vegan ernährtes Kind darf wählerisch sein. Einmal, weil so viele Kinder eine wählerische Phase haben und es wirklich etwas Natürliches, biologisch-evolutionär Sinnvolles ist. Somit sollten wir uns gedanklich verabschieden von diesem Idealbild, das uns immer wieder vorgegaukelt wird: dass gesunde und normale Babys und Kinder alles essen sollten, was wir ihnen vorsetzen. Und wenn das nicht so ist, dann machen die Eltern etwas falsch und das Kind gedeiht nicht richtig. Nein, so ist das nicht. Und weiterhin, weil auch eine gut geplante vegane Kindernährung alle Nährstoffe abdecken kann. (Siehe auch Darf ich mein Kind vegan ernähren? Mythen und Fakten) Womit wir bereits bei meinem ersten Tipp wären:

 

1.      Division of Responsibility

Deine Aufgabe ist es, deinem Kind regelmässig gesundes, nährstoffreiches Essen anzubieten. Die Aufgabe deines Kindes ist es zu entscheiden, wie viel davon und ob überhaupt es davon essen möchte. Wichtig ist es auch, dein Kind nicht zu überfordern. Lieber weniger auf den Teller legen oder bei älteren Kindern, das Essen im Buffet-Style auf dem Tisch anrichten. Lass dein Kind entscheiden, was es davon auf seinem Teller haben möchte. Als Richtgrösse für eine Portion gilt eine Baby-/Kinderfaust. Es gibt auch genug mischköstlich ernährte Kinder, welche sich nur von Kohlenhydraten ernähren möchten und Fleisch sowie Gemüse ablehnen. Die haben dann also einfach das gleiche «Problem» wie du, aber bei dir ist es nicht «schlimmer», nur weil ihr euch vegan ernährt.

 

2.      Die Stimmung am Esstisch ist das Wichtigste

Entspannt euch, nehmt den Druck raus. Spielt angenehme Musik oder den Lieblingstonie eures Schützlings. Essen soll Spass machen! Nehmt den Fokus weg davon, was und wie viel euer Liebling isst. Unterhaltet euch, singt, habt Spass. Jeglicher Druck hat am Esstisch nichts zu suchen.

 

3.      Euer Vorbild zählt

Auch wenn es im Moment nicht so aussieht: DU bist das grösste Vorbild deines Kindes. Was du isst, ist wichtig und beeinflusst dein Kind. Darum sollten wir gut für uns Sorgen und gesunde, nährstoffreiche Speisen essen. Das gilt übrigens auch im Umgang mit Süssigkeiten und Fertigprodukten: wenn dein Kind sieht, dass du solche Lebensmittel mit Genuss, aber in Massen konsumierst, dann wird das früher oder später einen positiven Einfluss haben. Süssigkeiten sollten nicht auf ein «Podest» erhoben werden.

 

4.      Feste Essenszeiten einhalten

Wichtig ist, dass dein Kind auch Hunger hat, wenn es Essen gibt. Versuche deshalb, (ab etwa 1 Jahr) fünf Mahlzeiten anzubieten – drei Hauptmahlzeiten und zwei Snacks vormittags und nachmittags. Dazwischen gibt es keine Cracker oder Reiswaffeln, auch wenn es schwer fällt. Wenn nach Bedarf gestillt wird, geht das Stillen vor. Ab etwa einem Jahr bis 18 Monaten könnte man in einem Beratungsgespräch evaluieren, ob es Sinn macht, das Stillen/die Fläschchen zu reduzieren, da dadurch oft mehr feste Mahlzeiten gegessen werden.

 

5.      Präferenzen für Texturen «ausnutzen»

Deine Tochter mag gefrorene Erbsen, aber kein Erbsengemüse? Das ist total ok! Wenn dein Kind alt genug ist, dass gefrorene Erbsen kein Verschluckungsrisiko mehr darstellen, go for it. Weitere Präferenzen für ungewöhnliche Konsistenzen sind bei uns: Chilli sin Carne püriert über Nudeln statt mit Reis, Linsennudeln statt Linsendal, Tofu straight out of the fridge statt angebraten, gefrorene Himbeeren, Vollkorn-Wrap statt Brot mit Rinde, Suppe püriert und mit Sojasahne statt mit Stückchen.

 

6.      Gemüse und Hülsenfrüchte «verstecken»

Oft sind es Gemüse und Hülsenfrüchte, welche weniger gerne gegessen werden. Man sagt, neue Lebensmittel müssen oftmals 20 mal (oder noch öfter!) angebiten werden, bevor sie probierte werden. Obwohl diese weiterhin sowohl gekocht als auch roh «pur» angeboten werden sollten, hilft es während besonders wählerischen Phasen oft, diese zu «verstecken». Think pürierte Kürbissuppe mit weissen Bohnen, «Schokopudding» mit versteckten Kidneybohnen und Datteln, Tomatensosse mit püriertem Gemüse, süsse Smoothies mit Spinat oder rote Beete (geht übrigens auch gut als Eis), oder Pancakes mit Kichererbsenmehl. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt!

 

Fazit

Der Unterschied zwischen der konventionellen und der veganen Beikost ist und bleibt der, dass wir durch unsere Erziehung, Erfahrung und der Kultur in der wir leben viel mehr über eine gesunde mischköstliche Ernährung wissen, aber oft wenig über eine gesunde vegane Ernährung. (Passend dazu: Zwingen Veganer ihren Kindern den Veganismus auf?) Darum empfehle ich allen Eltern, welche ihr Kind vegan ernähren möchten, eine Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen. Wenn sich dein Kind recht wählerisch ernährt, kann ich dir ausserdem noch weitere Tipps und Tricks mit an die Hand geben, wie du diese Zeit gut überstehst. Und vergiss nicht: du musst auch gut auf dich schauen! Dein Kind spürt den Stress und die Sorgen die du hast. Ich weiss, wie anstrengend es sein kann, wenn das eigene Kind nicht oder wenig isst. Ich hoffe, ich konnte dir bereits ein paar Ratschläge mit auf den Weg geben, die euch helfen und dich beruhigen werden. Ich wünsche dir alles Gute auf eurem weiteren Weg!